Wo und wie begegnet uns das Älter werden heute – und wie sehen wir es morgen? Altersbilder prägen, wie wir über andere Menschen denken und wie wir unser eigenes Leben gestalten. Das Projekt KImAge macht diese Vorstellungen sichtbar – kreativ und interaktiv anhand von Fotografien. Prof. Dr. Verena Klusmann-Weißkopf und ihr Team gehen im Projekt ‚KImAge‘ mit künstlicher Intelligenz neue Wege, um Vielfalt und Wandel von Altersbildern über Fotografien aus dem alltäglichen Leben zu erfassen und besser zu verstehen.
Menschen aller Altersgruppen, junge wie alte, sind aufgerufen Fotografien davon zu machen, wie und wo ihnen das Älterwerden und Altsein in ihrem Alltag begegnet. Zusammen mit einem Kommentar laden sie ihre Bilder in einer geschützten Datenbank hoch. Ein KI-Modell, das eigens für das Projekt trainiert wird, hilft, die großen Mengen an Fotografien zu systematisieren und so Muster und Zusammenhänge erkennbar zu machen.
Teilnehmende informieren und registrieren sich unter: www.kimage-hfu.de.
Was sind Altersbilder und wie entstehen sie?
Altersbilder umfassen unsere Vorstellungen von alten Menschen, vom Altern und vom Altsein. Vielleicht haben Sie sich mal zu jung oder zu alt für einen bestimmten Kleidungsstil gefühlt. Oder dafür, eine bestimmte Veranstaltung zu besuchen, eine Aufgabe zu übernehmen oder etwas Neues auszuprobieren. Im Gedanken „zu alt“ oder „zu jung“ für etwas zu sein, drücken sich unsere Bilder vom Altern aus. Sie speisen sich aus tief verinnerlichten sozialen Normen, d.h. aus dem, was wir in einem bestimmten Alter als angemessen und als „normal“ betrachten, beinhalten damit aber auch unsere Überzeugungen davon, wie Menschen in einem bestimmten Alter sind, wie sie sich verhalten und auch, wie sie sich verhalten sollten [1].
Wir alle haben Altersbilder, über uns selbst und über andere Personen. Einige davon sind mit Wünschen und Hoffnungen verbunden, einige neutral und wieder andere sind mit Sorgen oder Angst behaftet. Unsere Altersbilder werden ab frühester Kindheit geprägt, meist weitgehend unbewusst und quasi nebenbei. Durch unsere Kultur, durch unsere Erfahrungen im Umgang mit alten Menschen und durch die Darstellungen in den Medien entwickeln wir Bilder davon, wie alte Menschen sind und was es bedeutet, alt zu sein. Da sie lange Zeit im Leben vor allem andere Menschen betreffen und wir uns auch bis spät im Leben stets von „den Alten“ abgrenzen, haben wir wenig Anlass, diese Bilder zu hinterfragen. So haben negative Darstellungen leichtes Spiel, sich in unseren Köpfen festzusetzen. Das Dramatische: Selbst wenn wir selbst durchaus positive Erfahrungen mit älteren Menschen machen, halten sich die verinnerlichten Stereotype: Unsere Großeltern und konkrete Erlebnisse mit ihnen schätzen wir wert, der Prototyp eines alten Menschen ist dennoch negativ besetzt, wird mit Gebrechlichkeit und Starrsinn verbunden. Alt – das sind lange Zeit vor allem andere, selbst dann noch, wenn wir eigentlich selbst schon höhere Lebensphasen erreicht haben.
Wie wirken sich Altersbilder aus?
Altersbilder wirken vielschichtig und bestimmen unser Denken und tatsächlich sogar ganz konkret auch unser Alltagshandeln und das bereits in jungen Jahren. Sie beeinflussen, wie wir andere Menschen wahrnehmen, wie wir mit Menschen unterschiedlichen Alters umgehen. Aber sie prägen die Erwartungen an uns selbst, wie wir uns selbst wahrnehmen und wie wir uns verhalten. Wer etwa annimmt, dass es im Alter extrem schwierig ist, Neues zu lernen, wird seltener neue Wege einschlagen. Nicht erst im hohen Alter holen uns unsere negativen Stereotype ein. In unseren Studien konnten wir zeigen, dass bereits junge Menschen, die negative Vorstellungen vom Älterwerden haben, sich weniger um ihre Gesundheit kümmern [2]. Andersherum profitieren Menschen, die auch die positiven Aspekte des Alterns wahrnehmen können, bezüglich ihres Verhaltens, ihrer persönlichen Entwicklung und ihrer Gesundheit. Diese Zusammenhänge verstärken sich über die Lebensspanne: Neben Effekten für eine bessere körperliche und psychische Gesundheit ist sogar eine höhere Lebenserwartung durch Forschungsergebnisse belegt [3]. Menschen mit günstigen Altersbildern achten stärker auf sich selbst, treiben häufiger Sport, ernähren sich gesünder und treffen aktiv Vorsorgeentscheidungen. So können Altersbilder zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden: im positiven wie auch im negativen Sinne.
Was ist zu tun?
Insgesamt haben wir zu wenig im Blick, wie problematisch es ist, negativ über das Alter und alte Menschen zu denken [4]. Im Kleinen wie im Großen, in unserem Alltagshandeln wie auch auf der gesellschaftlichen Ebene, machen auf Diskriminierung aufmerksam. Wir sollten dringend mehr Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Flexibilität für Lebenswege schaffen, z.B. für Änderungen von Tätigkeitsbereichen oder zur Gestaltung der Lebensarbeitszeit. Wir müssen ehrenamtliches Engagement mehr wertschätzen und auch in Wirtschaftsbilanzen zum demographischen Wandel stärker berücksichtigen. In unserem White Paper des Netzwerkes „Altersbilder“ haben wir sechs Impulse für vielfältigere Altersbilder vorgelegt: https://www.hs-furtwangen.de/forschung/forschungsprojekte/dfg-netzwerk-altersbilder.
Altersbilder spielen also über unsere gesamte Lebensspanne eindrücklich mit unserer Gesundheit zusammen. Jedoch wissen wir noch zu wenig darüber, welche Aspekte des Älterwerdens in welcher Lebensphase in den Fokus rücken und welche Bedeutsamkeit sie in unserem alltäglichen Leben haben. Zu wissen, wer was in den Blick nimmt und welche „blinden Flecken“ wir aber jeweils auch haben, ist jedoch wichtig, um unsere Sichtweisen zu verändern. Und auch dafür, ob und mit welchen Bildern im Kopf Menschen miteinander in den Austausch treten. Dies soll das Projekt KImAge klären.
Das Projekt KImAge stellt sich vor
Die Altersbilder von Jung und Alt unterscheiden sich deutlich – das zeigte die Pilotstudie zu KImAge, in der schon erste Fotografien aufgenommen und ausgewertet wurden [5]. Menschen unter 30 Jahren hielten in ihren Bildern zugleich Visionen von Lebensgenuss aber auch Furcht vor Krankheit in ihren Bildern fest. Währenddessen thematisierten 50+-Jährige vor allem den Gesundheitserhalt und für 70+-Jährige standen Aspekte der Infrastruktur und Mobilität im Vordergrund – Grundvoraussetzungen für eine selbstständige und selbst bestimmte Lebensgestaltung bis ins hohe Alter.
KImAge will nun auch untersuchen, wie sich Altersbilder im städtischen und ländlichen Raum und in Abhängigkeit von der sozioökonomischen Situation unterscheiden. Auch sollen Lebensbereiche wie die Arbeitswelt oder die Gesundheitsversorgung im Besonderen in den Blick genommen werden: KImAge kooperiert mit kommunalen Einrichtungen, Betrieben jedweder Branche sowie auch mit Einrichtungen im Gesundheitswesen. Auch Workshops und Veranstaltungen rund um das Thema Altersbilder sind möglich.
Interessierte können sich gerne direkt an das das Projekt-Team wenden: www.kimage-hfu.de.
Aus dem Projekt hervorgehen soll auch eine Foto-Wanderausstellung: Das Bildmaterial wird uns unsere Altersbilder im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen halten. Dies soll genutzt werden, um zum Nachdenken anzuregen, ins Gespräch zu kommen und ein Umdenken anzustoßen, dass uns als einzelne Person, aber auch als Gesellschaft weiter voranzubringen wird.
Teilen Sie Ihre Altersbilder und machen Sie mit unter: www.kimage-hfu.de
Verfasserinnen: Denise Künstler (Wissenschaftliche Mitarbeiterin KImAge) & Verena Klusmann-Weißkopf (Professorin für Gesundheitsförderung und Prävention), Hochschule Furtwangen, kimage@hs-furtwangen.de, www.kimage-hfu.de, Tel. 07723 920-2816
Literatur
[1] Kornadt, A. E., Kessler, E.-M., Wurm, S., Bowen, C. E., Gabrian, M., Klusmann, V. (2020). Views on ageing: A lifespan perspective. European Journal of Ageing, 17(4), 387–401. https://doi.org/10.1007/s10433-019-00535-9
[2] Klusmann, V., Sproesser, G., Wolff, J. K., & Renner, B. (2019). Positive self-perceptions of aging promote healthy eating behavior across the life span via social-cognitive processes. The Journals of Gerontology, Series B: Psychological Sciences and Social Sciences, 74B(5), 735–744. https://doi.org/10.1093/geronb/gbx139
[3] Westerhof, G. J., Nehrkorn-Bailey, A. M., Tseng, H.-Y., Brothers, A., Siebert, J. S., Wurm, S., Wahl, H.-W., & Diehl, M. (2023). Longitudinal effects of subjective aging on health and longevity: An updated meta-analysis. Psychology and Aging, 38(3), 147–166. https://doi.org/10.1037/pag0000737
[4] Rothermund, K., Klusmann, V., & Zacher, H. (2021). Age discrimination in the context of motivation and healthy aging. Journals of Gerontology: Series B, Psychological Sciences and Social Sciences, 76(S2), S167–S180. https://doi.org/10.1093/geronb/gbab081
[5] Klusmann, V. & Schüz, B. (2024). Aging is in the eye of the beholder: Views on aging in everyday life captured via photographs. European Journal of Health Psychology, 31(3), 86―100. https://doi.org/10.1027/2512-8442/a000151